Bureau d’Etudes (fr), Götz Bury (at), Mary Ellen Carroll (us), Critical Art Ensemble (us), Fallen Fruit (us), Fernando GarcÃa-Dory (es), Arti Grabowski (pl), Laura Junka-Aikio (fi), Jani Leinonen (fi), Tom Marioni (us), Rémy Markowitsch (ch), Naufus RamÃrez-Figueroa (gt), Zeger Reyers (nl), Ã…sa Sonjasdotter (se), Rafram Chaddad (il/tn)
Mehr als alles andere bestimmt die Nahrungsaufnahme unser Leben. Als unumgängliches Grundbedürfnis wirft sie den Menschen tagtäglich auf seine nackte Existenz zurück. Doch neben der bloßen Aufrechterhaltung unserer Lebensfunktionen trägt das Essen entscheidend zum allgemeinen Wohlbefinden bei. Sättigung und Genuss haben nicht nur eine physiologische, sondern auch eine psychologische und sozial-gesellschaftliche Dimension. Ob Gesundheitswahn oder Essstörungen, Fast oder Fusion Food, Askese oder Frustfressen, Social Dining oder Social Business, Take-away oder Home Delivery, bloße Notwendigkeit oder purer Genuss bis hin zum Exzess– das Spektrum ist grenzenlos, geht es um die freie Gestaltung wie auch innere und äußere Zwänge dieses elementaren Daseinsaspekts. „Politiken und Freuden des Essens“ sind als Teil jeder menschlichen Kultur (und Religion) Ausdruck der Ideologien und Gesellschaftsverhältnisse, des Entwicklungsstandes oder Verfalls einer Zivilisation.
Ihr Potenzial als Gemeinschaftsbildner und Kollektivereignis wie auch ihre Funktion zur sozialen Distinktion (der König isst anders als der Bettelmann) sind Teil der Evolution. Man ist, was man isst, und so hängt, wovon und wie wir uns ernähren, nicht nur von den vorherrschenden Bedingungen ab, sondern wirkt auf sie ein. In privilegierten Weltregionen führt die „Mobilmachung“ lokaler Nahrungsgüter aus aller Welt zu einem so nie da gewesenen kulinarischen Aktionsradius, einem globalen Speiseplan, der die Wahl zwischen Haute Cuisine und Slow Food, Veganis- und Vegetarismus, Öko- und Biofetischismus erlaubt und sich in bewussterer und gesunderer Ernährung niederschlagen mag. In den Entwicklungs- und Schwellenländern Asiens, Afrikas und Lateinamerikas hungern eine Milliarde Menschen, jeder Siebte. Jährlich sterben 8,8 Millionen, hauptsächlich Kinder, an Hunger– ein Todesfall alle 3 Sekunden. Selbst im Wirtschaftsland Nummer 1, den USA, hungern 10 Millionen, Menschen mit „sehr geringer Nahrungssicherheit“, wie es offiziell heißt.
Dabei mangelt es der Erde nicht an Nahrung: Sie gelangt einfach nicht zu denen, die sie brauchen. Globale Erwärmung, Klimaschwankungen, Dürre, Überschwemmungen, bewaffnete Konflikte, Korruption, schlechte Regierungsführung, wachsende Weltbevölkerung, Biosprit-Boom, verändertes Ernährungsverhalten der neuen Mittelklasse in China und Indien und die Subventionspolitik z. B. der EU verschärfen die Situation. Im Zuge der Monopolisierung von Ressourcen durch multinationale Konzerne setzt sich das geopolitische Tauziehen um Rohstoffregionen weiter fort. Grundnahrungsmittel werden Spekulationsgut, Allmende an überlieferter Agrarkultur zu patentiertem Privateigentum. Die Kriege des 21. Jahrhunderts werden um Wasser und Reis, Mais oder Soja, um die Fischgründe der Weltmeere, die Weizenfelder Afrikas geführt. Aber auch Essensskandale, Biopiraterie und genmodifizierte Lebensmittel zerrütten die Idee, dass „Essen eben Essen ist“, wie wir es immer kannten.
Wie fühlen und denken Konsumenten des 21. Jahrhunderts darüber, was sie essen und trinken? Das Ausstellungsprojekt-Projekt speist sich aus nahrhaftem Brotgeld, melancholischem Gemüse, verwundetem Wasser, vermöbelten Muscheln, dinierenden Hausschweinen, erzählt von Marmeladensitzungen, Schafhirtenschulen, Nahrungsbefreiungsarmeen und Wandergastronomie, vom Guerrilla-Kochen als Konfliktebner, Biertrinken als Kunst, Beerenpflücken als Ausbeutung und der EU-Standard-Kartoffel als (leuchtendem) Beispiel.
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