ETWAS BESSERES ALS DEN UNTOD FINDEN WIR ALLEMAL.

Manifest für die Selbstaufklärung der Kunst im Zeitalter von Neoliberalismus und Postdemokratie.

Ein Vortrag von Georg Seeßlen (Kulturkritiker und Autor von „Geld frisst Kunst - Kunst frisst Geld“, Kaufbeuren) und Ute Richter (Künstlerin, Leipzig) mit anschließendem Gespräch und der Moderation mit Tobias Prüwer (Kreuzer– Das Leipzig Magazin).


„So wäre, sagt T., das Kunstwerk von heute wie eine Tulpe einst. Ein Spekulationsobjekt, aus der Sehnsucht nach Schönheit geboren, das seine Deckung verliert. Man sollte Tulpen malen! Tulpen in Farben, die es nicht gibt.“


Wir erleben derzeit eine große Spaltung des Kunstmarktes respektive Kunstbetriebs. „Global Player“ wie Megagalerien mit Filialen weltweit, Auktionshäuser und Kunstmessen haben mit der Usurpation durch den Finanzkapitalismus ein Hochpreissegment für die 0,1-Prozent der Superreiche geschaffen. Die Kunstproduktion eines „durchgedrehten Betriebssystem“ hat sich von der Gesellschaft, vom Adressaten entkoppelt, und erzeugt– paradoxerweise– gleichzeitig ihre Selbstentwertung. Kunst wird so zum „Komplizen eines ästhetischen Stinkefingers“, den die Oligarchen dem Rest der Welt zeigen. Öffentliche Häuser hecheln dieser Deformation der Kunst als Spektakel hinterher, statt eine alternative Kunstkultur zu entwerfen, die von Künstlern und ihren Adressaten gebildet wird.

Die Autoren Markus Metz und Georg Seeßlen haben in ihrem als Pamphlet titulierten Buch „Geld frisst Kunst - Kunst frisst Geld“ (Suhrkamp, 2014) ihren Unmut über den „Kunstbetrieb als Beute“ (Marcus Woeller) Ausdruck verliehen. Mit dem „Seziermesser einer materialistischen Werttheorie“ (Kito Nedo) nähern sie sich in fünf Kapiteln über das „Zeitalter des totalen Kapitalismus“, die „Kultur für Neoliberalismus und Postdemokratie“, „kapitale Kunstfehler“, die Kunst als Schmiermittel zwischen Politik und Ökonomie und die „innere Landnahme“ einem Manifest („OCCUPY ART!“) mit 42 Thesen zur Rettung der Kunst für die Gesellschaft.

Die Leipziger Künstlerin Ute Richter hat für das Buch als „ortsspezifische Arbeit“ die Bilderspur „Die Angst ist gewaltig– A Go Go“ entwickelt, die es visuell strukturiert. Der Publikation fügt sie so etwas Unvorhersehbares hinzu, das dieses Buch zu einem eigenen Denkraum werden lässt.

In einem Vortrag erläuterte Georg Seeßlen seine Thesen mit Analysen und Fragestellungen zu den „Kapriolen eines spekulationskapitalistischen Kunstmarktes“ und zur „medialisierten Spektakel-Kunst“, während Ute Richter die Bilderspur vorstellte. Ein anschließendes Gespräch mit dem Kulturjournalisten Tobias Prüwer vertiefte die Unausweichlichkeit eines „Prozesses der Selbstaufklärung“. Denn: „Die Implosion des Kunst-Diskurses ist unabdingbar, entweder kommt sie als ‚kulturelle Naturkatastrophe’ oder aber als bewusster und solidarischer Akt.“ (Metz & Seeßlen)