Die Spur des Anderen

Der Künstlerin Edith Tar zum 80.

Fr, 8. November 2024, 19 Uhr

Vortrag, Filmvorführung und Gespräch mit Dr. Philipp Freytag (Museum der bildenden Künste Leipzig), Alexa Hennings (Hörfunkautorin, Berlin) und Radjo Monk (Dichter & Künstler, Leipzig)

Im Mai 2024 wäre die Künstlerin und Fotografin Edith Tar (1944–2021) 80 Jahre alt geworden. Angefangen hat sie als freischaffende Fotografin nach einem Studium an der Hochschule für Grafik und Buchkunst Leipzig. Schon damals führten sie ausgedehnte Studienreisen nach Ungarn, Georgien, Kasachstan und bis nach Sibirien. Reisen und Welterkundung wurde zu einem Grundmodus ihrer Kunst wie auch das Verständnis der eigenen Arbeit als „work in progress“. Ab 1986 arbeitet sie in zahlreichen Projekten mit dem Dichter Radjo Monk zusammen. Als sich im Herbst 1989 der Unwille gegen das DDR-Regime zum friedlichen Protest formte, waren die beiden dabei. Viele ihrer Werke haben in dieser Zeit ihren Ursprung. Zu den wichtigsten zählt „Der Revolutionstisch“ (1990–2019). Ursprünglich das Mobiliar einer Gaststätte, an dem die Demonstrant:innen 1989 über die Zukunft ihres Landes diskutiert und gestritten hatten, fand der Tisch als soziale Plastik bis 2019 zu unterschiedlichen Zeiten an verschiedenen Orten Aufstellung, um die ehemaligen Diskutant:innen wie in einer Tafelrunde zusammenzurufen und nach dem aktuellen Zustand der Welt zu befragen. 2024 haben die Hörfunkautorin Alexa Hennings und Radjo Monk erneut mit den Gästen des Revolutionstisches gesprochen. Daraus entstand das Radiofeature „Fünf Tische und 13 Stühle – Was bleibt vom Leipziger Revolutionstisch?“, das am 5. November 2024, um 19:15 Uhr im Deutschlandfunk oder jederzeit online in der Audiothek zu hören ist.

Nach 1990 folgten viele weitere Projekte, die den Rahmen der Fotografie hinter sich ließen, sich ins Multimediale erweiterten, mal als Installation und mal als Happening. Beispielhaft für diese Entwicklung stehen die Performance „memento vivere“ (1992) in der Espenhainer Tagebaufolgelandschaft, der „Muschelaltar“ (1993), die Installation „Der Gral – Ein mentaler Trafo“ (1997), die experimentelle Fotoserie „Cappucetto Rosso“ (2002) und das Videotriptychon „Matrix Luther“ (2017). Sie alle fanden vor dem Hintergrund zahlreicher weiterer Reisen auf der Suche nach den „Wurzeln Europas“ statt – so der Titel eines weiteren gemeinsamen Rechercheprojekts von Tar und Monk.

Auf den Tag genau 35 Jahre vor dieser Veranstaltung, am 8. November 1989, hielten sich Edith Tar und Radjo Monk an der auf unkalkulierbare Art und Weise durchlässig gewordenen Grenze zwischen der Tschechoslowakei und der BRD auf. Mit Fotoapparat und Tonbandgerät sammelten sie Zeugnisse von Menschen aus der DDR, die ihr gesamtes Leben, Freunde und Familien hinter sich ließen. Daraus entstand die Serie und die Ausstellung „Der Tag vor dem Mauerfall“, die von dem Künstlerpaar noch 2020 gemeinsam konzipiert wurden. Im Mai 2021 ist Edith Tar nur wenige Tage vor ihrem 77. Geburtstag plötzlich verstorben. Die Ausstellung wurde 2021 von Radjo Monk gemeinsam mit Ediths Sohn Les Tar realisiert.

Diese Veranstaltung erinnert an die Künstlerin und gibt Einblicke in ihr facettenreiches Schaffen. Dabei werden Werke und Filmausschnitte gezeigt und Bezüge zur Gegenwart gezogen.

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