Hans Schulze Memorial
Gesprächsrunde mit Hartwig Ebersbach (Maler und Grafiker), Annelie Harnisch (Psychologin), chA°s (Pffft...!) und Britt Schlehahn (Kunstredakteurin, Kreuzer Leipzig)
Datum: Donnerstag, 23. August 2018, 20 Uhr
Der Aktionskünstler, Maler und Hydrologe Hans-Joachim Schulze war ein Querdenker der Kunstszene in Leipzig und Berlin, dem als überzeugten Marxisten „Kunst eine Produktivkraft“ war. Sein Kunstbegriff sprengte die engen Genregrenzen und sein Eigensinn eckte an.
Ende der 1970er begann der Zimmermann und Nachtwächter aus Schalkau sein Kunststudium an der Hochschule für Grafik und Buchkunst. 1979 wurde er der erste Schüler in Hartwig Ebersbachs Experimentalklasse. Mit Ebersbach und anderen gründete er erst einen Arbeitskreis und später die Künstlergruppe 37,2, zu deren Kern neben den beiden auch noch der Fotograf Peter Oehlmann, die Psychologin Annelie Harnisch, die Fotografin Gunda Schulze und die Kybernetikerin Brunhild Matthias gehörten. Als Diplom 1981 präsentierte er keine fertigen Werke, sondern einen Raum voller fertiger und halbfertiger Arbeiten und Fotodokumente seiner aktionistischen Praxis als Arbeitsprozess. Ein Experiment, für das Schulze– einzigartig in der Geschichte der Hochschule– ein Diplom ohne Bewertung erhielt. Zwischen 1982 bis 1984 fanden Happening ähnliche Performances der Gruppe 37,2 in Karl-Marx-Stadt, Leipzig, Halle und Berlin statt. Darunter 1983 die vierteilige Reihe „Akustische Aspekte I-IV“ im Kulturhaus Nationale Front in Leipzig. Während der als Analyseprozesse gedachten Performances, die kollektive Energien freisetzen sollten, improvisierten Freejazzer wie Manfred Schulze, Joe Sachse, Wolfram Dix, Erwin Stache u.a. Legendär ist der Auftritt von Schulze gemeinsam mit den Wutanfall-Punkrockern Chaos und Zappa als Krach-Trio Pffft...! zum Performancekunstfestival der oppositionellen DDR-Kunstszene Intermedia I 1985 in Coswig. Als Schulze mit Jugendlichen eine Wand eines Grünauer Jugendclubs gestaltete, kam es zum Eklat mit den Kulturfunktionären der DDR. Schulze wurde geraten nichts mehr zu tun, worauf hin er keine Chance mehr sah seine Ideen von Kunst und Kommunismus in der DDR zu verwirklichen und 1985 nach Westdeutschland ausreiste. Es folgten Stationen in London und San Francisco. Seit 1990 wieder in Berlin beschäftigte er sich mit kurzen und langen Opern (u.a. ab 2000 die „ArbeitslosenOper“ mit Robert Linke). Mit Kassandra Bosell, Michael Pfender, Renate Uhlmann und Robert Linke arbeitete er an einer „Mathematik des Wassers“ und gemeinsam mit Isa Adolphi an der „Geschichte und Auflösung des Patriarchats“. Vereinzelt publizierte er Aufsätze und Werke in den Prenzlauer Szenemagazinen „Gegner“, „Sklaven“ und „Sklaven Aufstand“. Seine letzte Einzelausstellung „Göttinnen und Götter“ war 2008 in Künstlerhaus Bethanien in Berlin zu sehen.
Am 23. August 2017 starb Hans-Joachim Schulze mit 66 Jahren. In einer Gesprächsrunde mit einigen Wegbegleitern, zu der alle Interessierten herzlich eingeladen sind, wollen wir ein Jahr nach dem Tod dieses besonderen Künstlers an seine Agieren an den Rändern der Kunst und der Systeme erinnern.