Intervista & Videogramme einer Revolution
Do, 1. Dezember 2011, Luru Kino
Teil der von Anna Schneider für For The Record kuratierten Veranstaltungsreihe Reading Loss.
Anri Sala: Intervista (AL 1998, 25')
Im Haus seiner Eltern findet der damals 23-jährige Filmstudent Anri Sala eine Filmrolle: Sie zeigt Salas Mutter Valdet, die eine Rede auf dem Kongress der Kommunistischen Partei Albaniens (1977) hält. Doch die Tonspur ist verloren gegangen und die Mutter kann sich nicht mehr an den Sinn ihrer Worte erinnern. Auf der Suche nach der Tonspur des Filmmaterials besucht Anri Sala den früheren (und später inhaftierten) Parteiführer Envor Hoxha und den Tonmann des damaligen Filmstudios. Doch auch sie haben keine Erinnerung mehr. Erst bei einem Besuch in einer Schule für Taubstumme in Tirana können die Worte der Mutter rekonstruiert werden.
Anri Salas frühes Schlüsselwerk erzählt davon, wie eng Sprache mit den politischen Ideologien ihrer Zeit verbunden ist. Es ist damit auch ein Zeugnis des Versagens und des Verlustes der Sprache durch den Umbruch politischer Systeme: „Es ist ein bisschen so, als sei die Sprache zerbrochen“, meint Anri Sala selbst.
Harun Farocki und Andrei Ujica: Videogramme einer Revolution (DE 1992, 107')
Der Herbst 1989 blieb uns im Gedächtnis als eine Abfolge visueller Ereignisse. Den Bildern nach war die Geschichte wiedergekehrt. Wir sahen Revolutionen. Und das vollständigste Revolutionsszenario lieferte Rumänien. In nur zehn Tagen und nur zwei Städten spielte sich alles ab: Aufstand des Volkes, Sturz der Macht, Hinrichtung der Herrscher - in der Hauptstadt und vor der Kamera. Denn in Bukarest wurde der TV-Sender von Demonstranten besetzt, blieb etwa 120 Stunden auf Sendung und etablierte einen neuen historischen Ort: das Fernsehstudio. Das Geschehen wurde zudem von Videoamateuren und Kameramännern der staatlichen Filmstudios festgehalten. Wagte es beim Ausbruch des Aufstandes nur eine Kamera aufzuzeichnen, so waren ein Tag darauf gleich Hunderte im Einsatz. Zwischen dem 21. Dezember 1989 (der letzten Rede Ceausescus) und dem 26. Dezember 1989 (der ersten TV-Zusammenfassung seines Prozesses) nahmen Kameras die Ereignisse an den wichtigsten Schauplätzen in Bukarest fast vollständig auf. Harun Farocki und Andrei Ujica rekonstruierten aus Amateur- und Profifilmmaterial eine Montage jener Tage mit der Absicht, die sichtbare Chronologie jener Tage zu rekonstruieren und dabei präzise das Verhältnis zwischen Macht und Medien zu untersuchen.
Eine Veranstaltung im Rahmen der Veranstaltungs- und Ausstellungsreihe For The Record.
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