LOUNGE14

#10– FEINDBILD 2.0

Bild- und Bedeutungsproduktionen im digitalen Zeitalter

Do, 9. Dezember 2010

Eintritt frei

mit Christoph Wachter & Mathias Jud (Künstler, Berlin/Zürich)

Von Killergame und Karikaturenstreit bis zu Raubkopie und Radikaldemokratie zeichnen sich neue Fronten ab. In komplexer Weise prägt die Digitalisierung sowohl die Kultur und Politik als auch unsere eigene Identität. In erster Linie verbindet uns das Internet und beschert einen Wissens- und Informationszugang. Durch die entgrenzten Zugriffs- und Partizipationsformen kommen aber auch den Bildern und Zeichen neue Bedeutungen zu. So verlagert sich die Kultur der Schriftlichkeit hin zum Visuellen. Unterschiedliche Communities finden eigene Darstellungsformen, die zeitlich und räumlich nachvollziehbare Kulturtraditionen ablösen und zu einer verwirrenden Gleichzeitigkeit und Ausdifferenzierung der Bildwelt führen. Formen der Emanzipation und der Beteiligung können entstehen. Eine Transparenz betreffend wirtschaftlicher und staatlicher Machtkonstrukte scheint greifbar. Doch auch Ängste werden wach, wenn im World Wide Web neue Bedrohungen und eine Flut der Schreckensbilder, der Pornografie, Gewalt und Propaganda zu sehen sind. 

Debatten um religiöse Symbole, explizite Gewalt- und Körperdarstellungen oder der Streit um Zugriffs- und Urheberrechte bewirken gesellschaftlichen Zündstoff. Darstellungen werden zum Mittelpunkt von Machtdebatten und zum Dreh- und Angelpunkt gesellschaftlicher Spaltungen. In Kontroversen um Leitkultur, Jugendschutz, Schranken, Kontrolle und Zensur gelten Bilder nicht mehr als interpretationsoffene Betrachtungsobjekte, sondern sie fungieren im Gegenteil als Erkennungszeichen bestimmter Anschauungen oder Affektsteuerungen. Die Bilder und Zeichen selbst werden dabei zum Streitobjekt, als Beweisstück oder Bekenntnis werden sie zum Feind-Bild.

Den Verschiebungen von Bildgebrauch und Bedeutungsmacht spüren Christoph Wachter und Mathias Jud in ihrer Arbeit nach. Unter Mitwirkung von WikiLeaks- und Politaktivisten, Hackern, Computerspiel-Zockern, einer muslimischen Gemeinde, Neo-Nazi-Aussteigern, File-Sharern und zahlreichen engagierten Besuchern konzipierten Wachter und Jud ihre Ausstellung FEINDBILD 2.0 (9. Oktober 2010 bis 19. Dezember 2010) im Kunsthaus Dresden. Dort entstand eine kollaborative Installation, die sich den Streitbegriffen und Bilderkriegen unserer digitalen Kommunikationsgesellschaft annimmt. Die Ausstellung griff einige brisante Themen im Voraus auf, etwa das Twittern bei der Castor-Demonstration, die US-Filesharing-Zensur oder ein Aufruf des Berliner Innensenators zur Denunzierung islamischer Nachbarn. Auch in der Zusammenarbeit mit dem Dresdner WikiLeaks-Aktivisten, der trotz neuester US-Sperre den Zugang zur Enthüllungs-Plattform WikiLeaks unter der deutschen Internetadresse ermöglicht, waren die aktuellen Schlagzeilen der Tagespresse bereits vorweggenommen. 

Christoph Wachter und Mathias Jud stellten in der Lounge14 #10 ihre Thesen, Entdeckungen und Projekte zu ihrer Ausstellung FEINDBILD 2.0 vor und führten den in Dresden angestoßenen Diskussions- und Partizipationsprozess mit dem Leipziger Publikum fort.

 

Diese Veranstaltung war eine Kooperation mit dem StuRa der Hochschule für Grafik und Buchkunst Leipzig, in deren Rahmen auch folgende Veranstaltung stattfand:

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Mi, 8. Dezember 2010, 19 Uhr
Künstlervortrag mit Christoph Wachter und Mathias Jud über ihre Projekte
Ort: Hochschule für Grafik und Buchkunst Leipzig, Festsaal, Wächterstraße 11, 04107 Leipzig 

Weitere Informationen unter www.wachter-jud.netwww.feind-bild.netwww.kunst-haus-dresden.de und www.hgb-leipzig.de

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