Lounge14

#3– DER REVOLUTIONÄRE ATLANTIK

Di, 23. März 2010

Eintritt frei

Vortrag mit Jochen Becker (Kurator und Kritiker, metroZones, Berlin) und Vorführung des Films Hölle Hamburg (Buch und Regie: Ted Gaier und Peter Ott, 2007, 88 min)

Jochen Beckers Vortrag offenbart die dunkle Geschichte der Meere. Die Piraterie folgte der maritimen Erschließung der Welt durch die Flotten des abendländischen Kapitalismus wie ein Schatten. Für die Matrosen war bereits das vormoderne Segelschiff gleichermaßen Fabrik wie Gefängnis. Ab dem späten 17. Jahrhundert wandelte sich der Atlantik zur Zone der Kapitalakkumulation und der Matrose zum Proletarier. Außer Flucht, Dienstunfähigkeit und Tod gab es kein Entrinnen vom Marineschiff. Als Pirat auf einem Kaperschiff war es mit Sold, Mitspracherechten und Verpflegung besser bestellt. Die Ausgeschlossenen fanden in der Fremde ein neues gemeinschaftliches Eigentum (commons) und reklamierten ihren Anteil auf dem Meer. „Die verborgene Geschichte des revolutionären Atlantiks“, so der Untertitel eines Buches der Historiker Peter Linebaugh und Marcus Rediker, offenbart Freibeuterei als Globalisierungspraxis von unten. In den karibischen Paradiesen verbündeten sich das ozeanische Proletariat mit der indigenen Bevölkerung und den Versklavten. Sie warfen ihre Kapitäne von Bord und begründeten den Commonismus.

Im Anschluss wird Hölle Hamburg gezeigt: In diesem Agit-Pop-Film von Peter Ott und Ted Gaier stranden die Ausgeschlossenen als internationale Mannschaft des Schiffes „Rheinland“ mitten im Hamburger Hafen, weil das unter Billigflagge fahrende Schiff von seinen Eignern im Stich gelassen wird. Die Dokumentarfilmerin Vera erkundet die Ereignisse auf dem Schiff und trifft auf einen mysteriösen Geheimbund. Der sich bald in Trance steigernde Filmplott bildet die Folie für wilde Genrewechsel zwischen Spiel-, Musik- und Dokumentarfilm, zwischen konstruktivistischem Agitprop-Theater und Trance-Ritualen. Das finstere Musical lässt verdrängte Geschichte und die Körper der Ermordeten als Gespenster wieder auferstehen. 

Weitere Informationen auf unserer Webseite unter Veranstaltungen, sowie unter www.metroZones.info, www.hoellehamburg.org

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