THE FUTURE OF CITIES. NOT FOR GRANTED
11. September 2021 bis 29. Januar 2022
28. & 29. Januar 2022: Symposium
Nutzen Sie gerne die Bildergalerie links, unseren digitalen 360°-Rundgang durch die Ausstellung und verfolgen Sie unsere Videoserie bei Instagram.
Neven Allanic & Bureau Muséal, ateliermob, Park Fiction | Margit Czenki & Christoph Schäfer, Falk Haberkorn, Anna Heringer & Dipdii Textiles, Isola Art Center & out, Kadir van Lohuizen, Keiichi Matsuda, Sim Kyu-Dong, Studio Forage, TAMassociati
Die Lebensform der Zukunft ist die Stadt! Bereits die Hälfte der Menschheit lebt hier. Obwohl die Grenzen des Wachstums längst überschritten sind, nimmt die Welt- und Stadtbevölkerung weiter rasant zu. Millionenstädte und Megacities verbinden sich zu flächendeckenden Metropolregionen wie dem Taiheiyō Belt in Japan (über 80 Millionen Menschen) oder dem BosNYWash (45 Millionen Menschen) an der nordamerikanischen Ostküste. Diese Megaregionen bringen die Natur zum Verschwinden. Städte verbrauchen den Großteil der Energie und stoßen das meiste Kohlendioxid aus. Die katastrophalen Folgen der Erderwärmung wie Dürre und Überschwemmungen treiben weitere Menschen vom Land in die Städte. Der Anteil der Weltbevölkerung auf der Flucht war nie so hoch wie heute. Notgedrungen ist die Zukunft der Stadt Teil der geosozialen Frage nach dem Überleben aller Spezies auf unserem Planeten.
Wären alle innerstädtischen Ziele ohne Auto erreichbar, könnten aus Straßen und Parkplätzen kühlende Stadtlandschaften für Menschen, Pflanzen und Tiere entstehen. Mit visionären Konzepten und nachhaltigen Materialien müsste schon heute weniger gebaut werden, um morgen mehr Menschen gutes Wohnen und Arbeiten zu ermöglichen. Auch die Digitalisierung hat massiven Einfluss auf das urbane Funktionsgefüge. Die Stadt der Zukunft wird smart. Die Chancen sind hoch, dass es sich dabei um ein geschlossenes Geschäftsmodell eines Techgiganten handeln könnte, inklusive ungeahnter Kontrollmöglichkeiten. Jedoch könnte mit digitalen Mitteln dialogischer Demokratisierung auch die Frage „Wem gehört die Stadt?“ neu gestellt werden. Die Entwicklung der Stadt der Zukunft kann nicht allein von oben glücken, sie muss die Bedürfnisse sehr verschiedener Akteurinnen und Akteure einbeziehen, flexibel und widerstandsfähig sein.
Wie gestaltet sich Stadtplanung und Architektur für die 99 Prozent der Gesellschaft? Was wäre, wenn sich in der Architektur ein Begriff von Schönheit durchsetzte, der nicht den Luxus für das eine Prozent meinte, sondern als „erste Geste der Fürsorge und Liebe“ (Raul Pantaleo) verstanden würde? Was wäre, wenn sie als „Werkzeug, um Leben zu verbessern“ (Anna Heringer) genutzt würde? Diese Ausstellung stellt elf künstlerische und architektonische Beispiele vor, wie Menschen auf die Herausforderungen aus Klimawandel, Digitalisierung und Migration reagieren. Sie schaut hin, entwirft mal düstere, mal hellere Visionen und zeigt wegweisende Lösungsansätze.
Ein zweitägiges Symposium (28. & 29. Januar 2022) diskutierte aktuelle Herausforderungen, daraus resultierende Leitbilder und deren Bedeutung für Planungsprozesse auf drei Panels mit Fachleuten, Kunstschaffenden und Engagierten diskutieren. Parallel fand das Kunstvermittlungsprojekt „Bauspielplatz Kunst Kammer – Playing with the Rules“statt. Eine Abschlusspublikation wird das Symposium und die Ausstellung zusammenfassen.
Neven Allanic & Bureau Muséal
Ein fragil wirkendes Bauschild begrüßt die Ausstellungsgäste in der Installation von Neven Allanic & Bureau Muséal. Die Worte „ici“, „futur“, „désolé“, „Selbst schuld“ künden von Zukunftssorgen. Dazu zählen Klimawandel und Pandemie, aber auch ein urbaner Wandel in Leipzig, der begonnen hat, einstige subkulturelle und künstlerische Freiräume einzuschränken. Das Wachstum stößt an Grenzen und schafft neue. Als der französische Künstler Allanic vor 15 Jahren nach Leipzig kam, hielt es ihn hier, weil er in der schrumpfenden Stadt Möglichkeiten entdeckte, die er bisher nicht kannte. Er erwarb im Leipziger Westen ein Haus, das er seitdem für den künstlerischen Austausch mit Frankreich nutzt. Mit seinem Bureau Muséal lädt er zum kollektiven Beobachten der Stadt und zum Denken möglicher Welten von morgen ein. Für diese Installation nutzte Allanic nicht nur Materialien, die im Zuge der Sanierung des Leipziger Westens weggeworfen wurden, sondern gab sechs weiteren Künstlerinnen und Künstlern aus Frankreich die Möglichkeit, eigene Arbeiten zu entwickeln. Wie in einer Werkstatt schufen sie die hier gezeigten skurrilen Vehikel und Apparaturen.
ateliermob
Gemäß ihrem Motto „Working with the 99%“ bietet ateliermob architektonische Dienstleistungen für Menschen, die sie sich eigentlich nicht leisten können. Begonnen haben sie ihre Arbeit in Lissabons vernachlässigten Stadtteilen Prodac Nord und Süd. Dort wurden nachträglich hunderte Genehmigungsverfahren für Häuser angestoßen, die in den 1970ern von ihren Bewohner:innen ohne Genehmigung gebaut wurden. In einer zweiten Phase kümmerte sich ateliermob um Finanzierung für die Weiterentwicklung öffentlicher Räume in diesen Vierteln. In dieser Ausstellung stellen sie ihr aktuelles Stadtplanungsprojekt im Stadtteil Quinta do Ferro vor. Das Arbeiterviertel entstand Mitte des 20. Jahrhunderts. Das Dauerproblem der Wohnungsknappheit führte dazu, dass in diesen Häusern immer kleinere Wohnungen mit schlechten Licht- und Luftverhältnissen entstanden. Viele Familien leben in unwürdigen Bedingungen. Zwischen 2016 und 2018 entwickelten die ansässigen Menschen mit Unterstützung von ateliermob in einem Beteiligungsprozess eine Stadtplanung, die sich für das Recht auf Wohnen und das Recht auf Platz einsetzt und die engen Beziehungen zwischen Vermieter:innen und Mieter:innen in dem Viertel berücksichtigt. Von Seiten der Stadtverwaltung wird diese Planung allerdings ignoriert.
Park Fiction | Margit Czenki & Christoph Schäfer
Ab 1994 wehrte sich eine Initiative von Anwohner:innen im Hamburger Stadtviertel St. Pauli erfolgreich gegen die Bebauungen eines letzten Ausblicks auf den Hafen. Stattdessen wünschte sie sich einen Park und startete ungefragt ihren „parallelen Planungsprozess“. 1997 stimmte die Stadtregierung für den Bau des Parks. Statt der einschüchternden Ernsthaftigkeit der Stadtplanung setzte Park Fiction bei der kollektiven Planung auf spielerische Ansätze, wofür die Initiative ein ganzes Set an Tools und Begriffen entwickelte. 2005 war es dann soweit, der Park wurde eröffnet. Man sieht ihm an, dass die Vielfalt der Ideen nicht auf den kleinsten gemeinsamen Nenner reduziert wurde. Unterschiedliche Inseln teilen sich den Raum und entsprechen unterschiedlichen Bedürfnissen. Auch nach der Eröffnung bleibt der Park ein Ort des Austauschs. Neben dem alltäglichen Parkleben finden hier politische Willensbildung und Solidaritätsbekundungen statt. Aktuell beschäftigt sich Park Fiction mit einer Erweiterung bis ans Wasser und lässt die Erfahrungen der Pandemie einfließen. Die Installation in der HALLE 14 veranschaulicht anhand eines Zeitstrahls diese Entwicklung bis heute und stellt Begriffe wie „Wunschproduktion“, „sich gegenseitig schlauer machen“ und „unwahrscheinliche Begegnungen wahrscheinlicher machen“ vor, die Pate für kollektive Planungsprozesse stehen können. Es sind auch das Park-Fiction-Toolkit und ein Film von Margit Czenki zu sehen.
Falk Haberkorn
Die Stadtlandschaft auf den 14 Fotografien von Falk Haberkorn erscheint undefiniert. Es handelt sich dabei um das Jahrtausendfeld, eine unbebaute, verwilderte Industriebrache im Leipziger Westen. Nach einer Schrumpfungsphase haben sich die benachbarten, ehemaligen Industrie- und Arbeiterviertel Plagwitz und Lindenau im vergangenen Jahrzehnt wieder verdichtet. Das zeigt sich in einer zunehmenden Geschäftigkeit und Vielfalt des urbanen Lebens, aber auch in steigenden Mieten und Neubauten zweifelhafter Qualität. Das Jahrtausendfeld blieb bis heute ein Ort des anhaltenden Provisoriums zwischen Nicht-Mehr und Noch-Nicht. Anwohner:innen nutzen es ähnlich wie einen Park. Hin und wieder finden hier Kulturveranstaltungen statt. Als Teil seines fortlaufenden Projektes „Plateau“ dokumentiert Haberkorn in dieser Fotoauswahl Spuren unterschiedlichster Aktivitäten auf der Brache. Vielleicht handelt es sich ja um einen öffentlichen Raum im besten Sinne, weil sich hier Menschen aus unterschiedlichen Schichten und Milieus begegnen?
Anna Heringer & Dipdii Textiles
Anna Heringer versteht Architektur als ein Werkzeug, um das Leben zu verbessern. Das erreicht sie durch eine ressourcenbewusste Bauweise und vielfältige Kooperationen. Das aus Lehm und Bambus bestehende Anandaloy-Gebäude ist bereits das sechste Bauprojekt der Architektin im Dorf Rudrapur in Bangladesch. Es beherbergt ein Therapiezentrum für Menschen mit Behinderung der Organisation Dipshikha sowie die Schneiderei Dipdii Textiles. Diese Manufaktur soll es den Frauen in Rudrapur ermöglichen, im Dorf ihren Lebensunterhalt zu verdienen, anstatt wie viele Millionen Menschen, in die Metropolen zu ziehen, um dort in der internationalen Textilindustrie zu arbeiten. Gleichzeitig berücksichtigt sie die eigene Textiltradition des Landes. Gemeinsam mit anderen Organisationen konnten Dipdii Textiles und die Architektin auch Frauen im weltgrößten Geflüchtetenlager im Süden Bangladeschs beauftragen, Decken zu besticken. In diesem Lager leben die nach schweren Konflikten aus Myanmar geflohenen muslimischen Rohingya. Diese Auftragsarbeiten geben den geflüchteten Frauen die Möglichkeit, ihre Zelte zu verlassen, sich gegenseitig zu trösten und zu stärken. Weitere Textilien zeigen die Auseinandersetzung von Schulklassen in Deutschland und Österreich mit der Gefahr des ansteigenden Meeresspiegels für das bevölkerungsreiche Bangladesch.
Isola Art Center & out
Das Isola Art Center entstand 2005 in einer besetzten Fabrik im Mailänder Arbeiterviertel Isola. Gemeinsam mit zahlreichen Nachbarschaftsinitiativen wehrte man sich gegen eine Stadtplanung und Gentrifizierung von oben. Die Einbeziehung von theoretischer Auseinandersetzung und zeitgenössischer Kunst begründete eine eigene „kampf-spezifische“ Arbeitsweise. Die als Wandtapeten gezeigten Fotomontagen von Bert Theis entwarfen beispielsweise alternative Gedankenmodelle von Städten. Doch der Kampf scheiterte, die Fabrik und nahe gelegene Parks mussten 2007 luxuriösen Wolkenkratzern wie dem „Bosco Verticale“ von Stefano Boeri weichen. Nach der Räumung der Fabrik verstreute das Isola Art Center seine Aktivitäten im Viertel auf Plätze, in Bars und Bücherläden und es beteiligte sich an der Gründung des Gemeinschaftsgartens Isola Pepe Verde. Der Band „Fight-Specific Isola. Art, Architecture, Activism and the Future of the City“ (2013) dokumentiert diese Bewegung. In der Fabel „The Vertical Jungle“ (2021) von Edna Gee rebellieren die Mailänder Tauben gegen die Gentrifizierungspolitik.
Kadir van Lohuizen
Für sein Rechercheprojekt „After Us The Deluge“ ist der niederländische Fotograf Kadir van Lohuizen um die ganze Welt gereist, um die heute bereits sichtbaren Folgen des durch die Klimaerwärmung steigenden Meeresspiegels zu dokumentieren. Die Reise beginnt bei den Schmelzströmen in Grönland und führt uns weiter an die Küste von Florida. Hier in Miami Beach werden immer noch Wohntürme errichtet, obwohl Prognosen zu Folge die gesamte Küstenregion bis 2060 evakuiert werden müsste. In dieser Region leben 39% der gesamten Bevölkerung der USA. Der im Pazifik liegende Inselstaat Kiribati droht in den nächsten Jahrzehnten ganz im Ozean zu versinken, wobei vollkommen unklar ist, wohin seine fast 120.000 Einwohner:innen evakuiert werden sollen. Wo das Meereswasser das Land überflutet, zerstört es die Grundlage für den Ackerbau. Auf den Carteret-Inseln in Papua-Neuguinea versucht die Bevölkerung von Algen zu leben und leidet trotzdem Hunger. Weitere Fotos und Videos führen uns nach Jakarta, Bangladesch und die Niederlande. Gemeinsam fragen sie, ob wir angesichts der bereits heute sichtbaren Folgen und unseres Wissens genug unternehmen, um unsere Zukunft zu schützen?
Keiichi Matsuda
Das kurze Video „Hyper-Reality“ des Designers Keiichi Matsuda präsentiert eine provokante und kaleidoskopische Vision einer neuen Zukunft, in der physische und virtuelle Realitäten verschmelzen und Städte von Medien durchdrungen sind. Techniken wie virtuelle und erweiterte Realität, Wearables und das Internet der Dinge verweisen auf eine Welt, in der die Technologie jeden Aspekt unseres Lebens einschließt. Sie wird das Bindeglied zwischen jeder Interaktion und Erfahrung sein, das erstaunliche Möglichkeiten bietet, aber auch die Art und Weise kontrollieren wird, wie wir die Welt verstehen. Das Video erforscht diese aufregende, aber gefährliche Entwicklung.
Sim Kyu-Dong
In der südkoreanischen Millionenstadt Seoul gibt es kleine Räume, die konzentriertes Lernen für Prüfungen ermöglichen sollen. Sie werden „Gosiwons“ genannt. Aufgrund des Mangels an bezahlbaren Wohnraum haben sie sich allerdings als prekäre Wohnform etabliert. Der Fotograf Sim Kyu-Dong lebte selbst für fünf Jahre in einer dieser auf Arbeiten und Schlafen begrenzten Miniaturwohnung. In der Fotoserie „Gositel“ dokumentiert er sein Leben und das seiner Nachbarn.
Studio Forage
Mellonopolis ist eine fiktive „Smart City“ einer nahen Zukunft, in der alltägliche urbane Aufgaben wie Straßenreinigung und Verkehrsmanagement mit Hilfe von Künstlicher Intelligenz und Bilderkennungstechnologien geregelt werden. Allerdings vermeidet Studio Forage mit seinem Projekt „Seven Stories of Mellonopolis“ besonders utopische oder düstere Visionen zu entwickeln. Stattdessen denken sie sich die Zukunft ähnlich banal und alltäglich wie die Gegenwart. Jede der sieben Geschichten stellt eine Bürger:innen von Mellonopolis vor, die mit listigen Verkleidungen und Methoden die Technologiegläubigkeit der „Smart City“ unterlaufen. So nutzt es der ungeduldige Merrik aus, dass die Ampeln der Zukunftsstadt gleich auf Grün schalten, wenn die Kameras Kinder entdecken und trägt T-Shirts mit aufgedruckten Kindergesichtern. Die tierliebende Odachi hat eine Methode entwickelt, Stadttauben umzufärben, um das kommunale Taubenvergiftungssystem auszutricksen, dass über die Kameras die Taubenpopulation zählt und falls nötig minimiert.
TAMassociati
In seinem auf Italienisch veröffentlichten Buch „La sporca bellezza“ (2016, Schmutzige Schönheit) bezieht sich Raul Pantaleo auf die Anekdote, wie der antiken Philosoph Thales in einen Brunnen stürzte. Eine Magd soll über ihn gespottet haben: „Da er die Dinge am Himmel sehen will, übersieht er, was vor seinen Füßen ist.“ Gemeinsam mit seinem Büro TAMassociati versucht Pantaleo diese Spanne zu überbrücken, in dem sie in schwierigen Konfliktzonen arbeiten, aber gleichzeitig nach dem Höchsten streben. So betrachten sie Schönheit nicht als vernachlässigbaren Luxus, sondern als „erste Geste der Fürsorge und Liebe“. TAMassociati haben zahlreiche Krankenhäuser und Bildungseinrichtungen in verschiedenen afrikanischen Ländern gebaut. Beispielhaft werden in der Ausstellung zwei Kinderhospitäler vorgestellt, die TAM im Auftrag der Nichtregierungsorganisation Emergency für den von Krisen, Hunger und Bürgerkrieg betroffenen Sudan entwickelten. Das Architekturstudio achtet darauf, dass die Bauprojekte aus der Umgebung heraus entstehen. Das gilt nicht nur für die Baumaterialien, sondern auch für den „Genius loci“. So nutzten sie für die Fassade der Kinderklinik in der Stadt Port Sudan nicht nur lokales Ziegel- und Korallengestein, sondern auch hölzerne Sonnenschutzelemente wie sie für die osmanische Architektur typisch sind. Um in der heißen Region für die nötige Kühlung im Gebäude zu sorgen, wurde hier ein 8 Meter hoher Windturm aus der iranischen Bautradition errichtet, der die kühleren Winde aus der Höhe ins Innere leitet. Da das Krankenhaus auch als ein Katalysator für das umliegende Gebiet wirken soll, gibt es an den Seiteneingängen Hofgärten mit einem Sportplatz. So bietet das Hospital nicht nur ein dringend benötigtes Versorgungsangebot, sondern ist auch ein symbolischer und qualitativ hochwertiger Ort für die Zukunft der Bevölkerung.
Kerstin Rupp
Als die Leipziger Illustratorin Kerstin Rupp eingeladen wurde, eine Illustration für die Ausstellungsankündigung zu entwerfen, weckte diese Idee bei ihr soviel Resonanz, dass sie daraus auch noch ein 6 mal 4 Meter großes Wandgemälde entwickelte. Rupps Wunschbild von „Leipzig 2060“ empfängt nun die Gäste in der Ausstellung. Man blickt von der Spinnerei in Richtung Innenstadt. Auffällig sind riesige Trichter, die Regenwasser auffangen, zahllose begrünte Dächer, breite Wege für das Hauptverkehrsmittel Fahrrad. Zusätzlich gibt es eine Hochgeschwindigkeitsröhrenbahn. Ein Begleitblatt listet unter dem Motto „Nehmen wir mal an...“ insgesamt 31 ökologische, soziale und demokratische Verbesserungsideen auf: Da wird das Fußballstadion zum Versammlungsort für die Stadtbevölkerung wie im antiken Griechenland, während die nutzlos gewordenen Parkhäuser als Kühlhäuser für Obst und Gemüse dienen.
Englisch version:
The city is our future way of life! Half of humanity already lives there. Although the limits of growth have long been exceeded, the world and urban populations continue to grow rapidly. Cities with a population of over a million and megacities connect to form metropolitan regions such as the Taiheiyō Belt in Japan (over 80 million people) or BosNYWash on the North American East Coast (45 million people). These mega-regions cause nature to disappear. Cities consume the majority of the energy and emit most of the carbon dioxide. The catastrophic consequences of global warming such as droughts and floods are driving more people from rural areas to cities. The percentage of the world's population that is displaced has never been as high as it is today. The future of the city is an inevitable part of the geosocial question of the survival of all species on our planet.
If all destinations within a city center could be reached without a car, streets and parking lots could be turned into cooling urban landscapes for people, plants and animals. With visionary concepts and sustainable materials, less would have to be built today in order to enable more people to live and work well tomorrow. Digitalization also has a massive impact on the urban functional fabric. The city of the future will be smart. Chances are high that this could be the closed business model of a tech giant, including unimaginable opportunities for control. However, digital means of dialogic democratization could also be used to re-pose the question “To whom does the city belong?” The development of the city of the future cannot succeed from above alone; it must incorporate the needs of a wide variety of actors and be flexible and resilient.
How do urban planning and architecture design for the 99 percent of society? What if a concept of beauty in architecture prevailed that did not mean luxury for the one percent, but was understood as the “first gesture of care and love”? (Raul Pantaleo) What if it were used as a “tool to improve life”? (Anna Heringer) This exhibition presents eleven artistic and architectural examples of how people are responding to the challenges of climate change, digitalization and migration. It looks closely, outlining sometimes darker, sometimes brighter visions and shows groundbreaking solutions.
A two-day symposium (January 28 & 29, 2022) discussed current challenges, resulting models and their significance for planning processes in three panels with specialists, artists and activists. The art education project “Bauspielplatz Kunst Kammer – Playing with the Rules” took place along the exhibition. A final publication will summarize the symposium and the exhibition.